Aus Liebe zur Sache

Katalogtext zu Al Bird Sputnik | TRASH ROCK ARCHIVES present: „Making Austropop a Threat again!“ 2013

Der spezifische Trick des mathematisch geschulten Numerologen in einer Kurzgeschichte von Isaac Asimov besteht darin, Zukunftsszenarien per Computer zu simulieren und dabei einzig den Namen seiner Klienten als Variable zu setzen. Dies sei am praktikabelsten (»My machine is still crude«, wir schreiben das Jahr 1958), und anders als andere Modifikationen (»I can‘t change your height, can I, or the color of your eyes, or even your temperament «) relativ einfach zu machen (als Künstler/in muss man dafür nicht einmal zum zuständigen Magistrat) und drittens sei dies eine »signifikante« Veränderung, denn »names mean a lot to people.«

Kristina Pia Hofer war ursprünglich der Punk- und DIY-Bewegung der 1990er- Jahre verpflichtet. Die Bands »Anarchophobia« und »Sensual Love« haben quasi Legendenstatus in Linz. Damals war frau vor allem eines, nämlich dagegen – und zwar »echt«: die biedere Verlogenheit der etablierten Pop-Welt sollte mittels Authentizität unterwandert werden. Mit der Transformation zu Ana Threat, Hofers erstem und immer noch gängigstem Pseudonym, ging auch ein Wechsel der Haltung einher. Das Spiel mit dem Namen ist insofern ernst, als es nolens volens bis in den harten Kern der Persönlichkeit hineinwirkt und diesen aufzulösen oder wenigstens aufzuweichen erlaubt. Seither gingen »Ana«, »Reverend« u.s.w. von der Verdammung des Seins zur (musikalischen) Feier des Scheins über, ohne dabei die kritische Perspektive aufzugeben.

Um sich medialen Vereinnahmungen zu widersetzen will Al Bird Gore aka Al Bird Dirt aka Al Bird Sputnik seinen ›bürgerlichen‹ Namen überhaupt für sich behalten. Vielleicht als eine Persiflage auf die unaufhaltsam voranschreitende Ausdifferenzierung der Arbeitswelt hat auch jede dieser Figuren einen eigenen Zuständigkeitsbereich: Die künstlerische Laufbahn begann im Namen von Al Bird Gore als Macher von experimentellen Kurzfilmen. In der mit Gratis G. Strumpf begründeten, von 2008–2010 auf OKTO ausgestrahlten Reihe »Tempo Lectri« hat Gore Kurzfilme präsentiert, die teils das Prädikat besonders seltsam verdienen, teils recht praktisch waren, wie z. B. die Serie »How-To-Do for Me-&-You«. Al Bird Dirt zeichnet vor allem für den musikalischen Output verantwortlich. Nach diversen Punkbands verbandelte er sich endlich mit Ana Threat zu »The Happy Kids«. Als solche tourten sie quer durch Europa, Abstecher in die USA inklusive. Ihren ersten Auftritt in dieser Konstellation hatten die beiden 2009, Anfang 2013 wurde die Band auf Eis gelegt.

Al Bird Sputnik war ursprünglich zuständig für poetisch-literarische Kreationen, geriet aber mehr und mehr zum Pop-Archäologen, d. h. Wissenschaftler. Sein Forschungsfeld ist die Pop-Landschaft Österreichs in ihren Anfängen, die weiter zurückliegen als gemeinhin angenommen. Katalogisiert, erhalten und zuweilen öffentlich vorgespielt werden die gesammelten Fundstücke unter dem Label »Trash Rock Archives«; diese wiederum sind aus den »Trash Rock Productions« entstanden, mittels denen Ana Threat und Al Bird Dirt auch ihre eigenen Platten herausbringen (zuletzt die EP »Car Sick« / »The Knife«). Beider Musikmachen wird ständig informiert von ihrem leidenschaftlichen Interesse Abseitiges, Rares und Unerhörtes aufzustöbern und vor dem Vergessen zu retten.

Dass Neues nicht immer wichtiger und Alterprobtes oft sogar neu ist, wird durch den Einsatz von Stilen und den Gebrauch von Instrumenten betont, die offiziell oft als obsolet gelten. Al Bird singt naturgemäß gerne und steht am liebsten hinterm Keyboard, Ana Threat ist die Spezialistin für alles Mögliche; musikalisch hat sie sich aktuell zu »the Kracks« (coming out soon!) multipliziert und als K. P. Hofer erforscht sie Geschlechter, wie sie z. B. in VHSAmateur- Pornofilmen zur Darstellung kommen. Wunderbarerweise scheint die Vervielfältigung der Selbste bei Al B. und Ana T. mit der der Kompetenzen einherzugehen, ganz im Sinne von DIY – nicht unbedingt es sich leicht machen, sondern viel, mit Liebe zur Sache.
IVO GURSCHLER
ist im Redaktionsrat für TUMULT. Schriften zur Verkehrswissenschaft,
arbeitet bei nadaproductions,
für skug. Journal für Musik
und an seiner philosopischen Dissertation an der Akademie der bildenden Künste Wien.

Ivo Gurschler

ist im Redaktionsrat für TUMULT. Schriften zur Verkehrswissenschaft, arbeitet bei nadaproductions, für skug. Journal für Musik und an seiner philosopischen Dissertation an der Akademie der bildenden Künste Wien.